Zwei Rote Karten, ein 0:6-Lauf: Eisenacher Aufholjagd in Hannover bleibt ungekrönt!

Am 8. Spieltag der Handball-Bundesliga war der ThSV Eisenach bei der TSV Hannover-Burgdorf zu Gast. Trotz einer großartigen Aufholjagd, mit der die Thüringer in der Schlussphase Moral bewiesen, stand am Ende eine 30:32-(14:17)-Niederlage.

Oskar Joelsson war offensiv mit acht Toren bester Eisenacher. (Foto: TSV)

Schon im Teamhotel gab es zu Beginn des Spieltags Grund zum Jubel: Mittelmann Felix Aellen feierte seinen 22. Geburtstag. Auch an seinem Ehrentag durfte der Angriffsregisseur in der Startformation ran. Hannover derweil musste auf seinen angeschlagenen Chefcoach Christian Prokop verzichten, Co-Trainer Heidmar Felixson übernahm das Kommando. Der ThSV kam gut ins Spiel, eröffnete durch Linksaußen Vincent Büchner, der im Sommer von den Recken an die Wartburg gewechselt war. Früh zeigten die Eisenacher Nervenstärke vom Siebenmeter-Strich, zu Saisonbeginn waren die eigenen Strafwürfe noch eine echte Schwachstelle. Schwede Oskar Joelsson aber versenkte zwei selbst rausgeholte Siebenmeter, erst zum 2:2, wenige Minuten später zur 5:4-Führung. Die starke Anfangsphase des Rückraum-Linken mündete zwischenzeitlich sogar in einer Zwei-Tore-Führung, als er das 7:5 und das 9:7 besorgte.

Vergebene Chancen, Rot für Leu: Eisenach zur Pause knapp hinten

Nach dem 10:10-Ausgleich durch Recken-Kapitän Marius Steinhauser ging beim Kultklub in Blau immer weniger zusammen, fast immer konnte sich das Team von Sebastian Hinze vors gegnerische Tor kombinieren, vergab jedoch zu viele freie Würfe. Mehrere schnelle Gegentore führten zum 14:10 pro Hannover durch Linkshänder Vilhelm Poulsen.

Zu allem Überfluss zeigte das Schiedsrichtergespann Thöne/Zupanovic kurz darauf Tillman Leu die Rote Karte. Eisenachs Abwehrkante hatte den Deutschen National- und Recken-Kreisspieler Justus Fischer mit der Schulter im Gesicht erwischt, nach Einsatz des Videoassistenten flog Leu von der Platte. Kurz vor Seitenwechsel spielte Geburtstagskind Aellen einen sehenswerten Ball auf Kapitän Peter Walz, der vergab aber im direkten Duell gegen Torwart Joel Birlehm. Im Gegenzug traf Steinhauser zum 16:12. Mit der Sirene war Walz dann aber mit einem strammen Wurf aus der Hüfte erfolgreich, besorgte den 17:14-Halbzeitstand zugunsten der Hausherren.

0:6-Lauf, nochmal Rot: Fünf schlechte Minuten kosten das Spiel

Acht Minuten nach dem Seitenwechsel hatten sich die Gäste wieder auf ein Tor rangekämpft, unter anderem dank dreier sicher verwandelter Siebenmeter von Felix Aellen. Minute 41 wurde dann zum Vorzeichen für die kommende schwache Eisenacher Phase: Vorne vergab Max Beneke gegen Joel Birlehm, hinten schenkte Leif Tissier dem nicht in Topform befindlichen Matija Spikic ein unnötiges Tor ein. Auch dessen zwischenzeitliche Vertretung Silvio Heinevetter kriegte kaum einen Ball zu fassen. Und da sich vorne die Ineffizienz weiter durch die nächsten Minuten zog, wusste Hannover die Eisenacher Nachlässigkeiten zu bestrafen. Birlehm mit einem Tor nach eigener Parade und Steinhauser von Rechtsaußen machten einen 6:0-Lauf komplett.

Um die 45. Minute war es zum vierten VAR-Einsatz des Spiels gekommen, Linkshänder Stephan Seitz kassierte an dessen Ende seine dritte Zeitstrafe des Spiels und damit ebenfalls Rot. Mit Anbruch der Schlussphase stellte der ThSV um, setzte nun auf offensive Abwehrarbeit in einer 3-3-Formation und offensiv auf das Spiel im Sieben-gegen-Sechs. Erfolgreich! Zunächst meldete sich Matija Spikic mit einer Parade an, dann erzielte Alexander Saul das 24:30. Spikic erneut zur Stelle, Fynn Hangstein verkürzte um ein weiteres Tor. Fischer blieb offensiv am Kreis liegen, bekam aber keinen Pfiff, Timmy Reichmuth verkürzte auf der Gegenseite zum 27:31. Echte Gefahr nochmal für den sicher geglaubten Sieg der Recken, die sich allerdings nach dem 30:32 von Eisenachs Joelsson über die Ziellinie retten konnten.

Das sagen die Protagonisten zum Spiel

Eisenachs Cheftrainer Sebastian Hinze stellte das wichtigste vorne an: „Glückwunsch an die Recken und auch Glückwunsch an Christian, beste Genesungswünsche!“ Zum Spiel: „Aus einer offensiv überragenden ersten Halbzeit nehmen wir zu wenig mit. In jedem Angriff haben wir eine klare Chance, verwerfen aber sieben Bälle aus der Nahdistanz. Birlehm nimmt uns viel weg, in der Abwehr haben wir Probleme mit dem Speed von TIssier. Beim Stand von -1 hatte man das Gefühl, das Spiel könnte kippen, dann kommt aber eine Unterzahl, die wir mit zwei Tore verlieren und schwache fünf Minuten mit dem -6. Über das 3-3 und das Sieben-gegen-Sechs haben wir ein gerechtes Ergebnis herstellen können.“

Auch ThSV-Geschäftsführer René Witte betonte seine besten Wünsche für den unpässlichen Christian Prokop. Die letzten zehn Minuten der Eisenacher Mannschaft „waren von der Moral her unfassbar. Wir verwerfen insgesamt zu viel, scheitern an Joel Birlehm. Sonst waren wir in vielen Bereichen gleichwertig. Deshalb ist es schade, aber das Ergebnis ist gerecht.“

Abwehrchef Philipp Meyer bilanzierte: „In einigen Bereichen waren wir nicht konsequent genug, sind etwas von unserem Plan abgekommen. Gerade bei den Zeitstrafen und schnellen Gegentoren müssen wir cleverer agieren. Am Ende haben wir aber noch sechs Tore in sieben Minuten aufgeholt. Das zeigt uns: Wir müssen nicht verunsichert sein, wenn wir mal mit zwei, drei Toren zurückliegen.“

„In der ersten Halbzeit spielen wir einen super Angriff“, so Linksaußen Timmy Reichmuth, „aber lassen einige Bälle liegen. Hinten lassen wir etwas zu viel zu. In die zweite Hälfte kommen wir gut rein, machen dann aber zu viele technische Fehler, die fast alle zu Gegentoren führen. Diese Phase kostet uns den möglichen Punktgewinn. Am Ende haben wir noch das Beste rausgeholt.“

Geburtstagskind Felix Aellen sah „lange einen sehr disziplinierten Angriff. Dass wir das Torwart-Duell verlieren, kriegen wir bis kurz vor der Pause noch gut kompensiert. Dass wir nach dem großen Rückstand nochmal rankommen, ist positiv. Aus diesem Spiel können wir viel lernen. Das war eine bessere Leistung als zuletzt auswärts. Klar wäre es geil gewesen, diese Punkte mitzunehmen, aber wenn wir häufiger so auftreten, kommen auch auswärts die Punkte.“

„Gott sei Dank hat Joel Birlehm Eisenach ein paar wichtige Bälle weggenommen“, so Hannovers etatmäßiger Co-Trainer Heidmar Felixson. „Die Überzahlen helfen uns in den wichtigen Phasen, vorn spielen wir sehr konzentriert und konsequent. Angesichts der vielen Kranken und Verletzten, die wir unter der Woche hatten, fällt das Kompliment ans Team heute umso größer aus.“

Sven-Sören Christophersen, Sportlicher Leiter der Recken: „Christians Erkrankung kam für uns sehr überraschend, aber er hat Heidmar und mir sein Vertrauen übergeben. Riesen Kompliment an die Mannschaft, das war ein ganz wichtiges Signal und das Gesicht, das wir in Hannover zeigen wollen.“

Der ThSV Eisenach will im nächsten Spiel wieder das Gesicht zeigen, das man von ihm in dieser Saison zuhause kennt, denn schon in wenigen Tagen kommt die SG Flensburg-Handewitt in die Wartburgstadt. „Flensburg ist eine Top-Mannschaft, das wird ein geiles Spiel“, sagt Philipp Meyer euphorisch. „Die SG ist gerade das Maß aller Dinge, und ich freue mich, Marko wiederzusehen.“ Der Deutsche Nationalspieler Marko Grgic kommt nach seinem Abgang im Sommer erstmals mit seinem neuen Verein zurück in die Wartburgstadt. Am Donnerstag um 19 Uhr wird angeworfen in der Werner-Aßmann-Halle, der ThSV erwartet ausverkauftes Haus.

J. Gante

 

TSV Hannover-Burgdorf - ThSV Eisenach 32:30 (17:14)

TSV Hannover-Burgdorf: Gade (1/1 P.), Birlehm (13/1 P.); Tissier 7, Poulsen 7, Kurok, Pedersen 3, Steinhauser 13/6, Michalczik, Aho, Stutzke, Solstad, Fischer 1, Feise, Weber, Rodriguez

ThSV Eisenach: Spikic (5 P.), Heinevetter (2 P.),; Joelsson 8/4, Reichmuth 3, Beneke 4, Hangstein 1, Walz 2, Ende, Aellen 6/4, Meyer 1, Antonijevic, Seitz 1, Kurch 1, Büchner 2, Saul 1, Leu

Zuschauer: 7771 (ZAG Arena, Hannover)
Schiedsrichter: Thöne / Zupanovic
Strafminuten: 4 / 12
Disqualifikation: Leu (27., Gesichtstreffer), Seitz (45., 3 x 2 min)

Felix Aellen feierte am Samstag seinen 22. Geburtstag, erzielte sechs Tore. (Foto: TSV)
Zu spät zu Normalform gefunden: Matija Spikic konnte erst in der Schlussphase Einfluss aufs SPielgeschehen nehmen. (Foto: TSV)
Über zweihundert HBL-Spiele für die Recken: Vincent Büchner bei seinem ersten Comeback an alte Wirkungsstätte. (Foto: TSV)
Ungläubiger Blick vom Nationalspieler: Tillman Leu stibitzte Justus Fischers Trikot in einem harten Zweikampf. (Foto: TSV)